Montag, 7. April 2014

Der Schatten der Endlichkeit (Eine wahre Geschichte)



Ich kam zu spät zur Geburtstagsparty. Das rauschende Fest war schon im Gange. „Hallo, Heinrich“, rief jemand, die laute Musik übertönend. Ich blickte mich um und sah Peter mit einem Pärchen an einem Tisch sitzen. „Komm“ , sagte er, „setz dich zu uns!“ „Ja, gleich!“, entgegnete ich und suchte erst mal das „Geburtagskind“. 
   Nachdem ich Raimund gefunden hatte,  Gratulation und Geschenkübergabe geschehen waren, setzte ich mich zu Peter an den Tisch. „Warum kommst du so spät ?“ fragte er. Und ohne eine Antwort abzuwarten fuhr er fort: „Das Beste hast du schon verpasst. Raimund hat eine Rede gehalten. Über die Endlichkeit des Lebens!“ 
   Etwas irritiert fragte ich nach: „Tatsächlich?“ Es sah ihm eigentlich gar nicht ähnlich über solche Themen zu sprechen, und schon gar nicht öffentlich.
    Peter fuhr fort: „Ja, erst hat er ein trauriges Lied von Leonard Cohen spielen lassen und dann gesagt, er wolle an diesem für ihn  so schönen Tag mal einen kurzen Einblick in seine Seele gewähren. Er sei heute sehr glücklich und könne erkennen, dass das Leben es in den zurückliegenden sechzig Jahren recht gut mit ihm gemeint habe. Aber", und jetzt machte er eine kleine Pause, "und jetzt kommt es, er könne trotzdem nicht wirklich glücklich sein. Denn über diesem Tag und seinem Leben läge auch der SCHATTEN der ENDLICHKEIT. Und er sei nun mal kein religiöser oder gläubiger Mensch!“
  Ich staunte nicht schlecht. Solche Worte aus dem Munde von Raimund hätte ich nun wirklich nicht erwartet, da er ansonsten eher zur lebenslustigen Fraktion gehörte.


Als ich um drei Uhr morgens die Party verlassen wollte, ging ich noch einmal rüber zu Raimund. „Schade“, sagte er, „dass du so spät gekommen bist. Da hast du meine Rede verpasst. Hätte dir als gläubiger Christ bestimmt gefallen!“ „ Ja, schade“, entgegnete ich. „Aber der Peter hat mir Einiges darüber erzählt. Der Schatten der Endlichkeit, der dir das Glück des Moments etwas verhagelt.“ Er lachte: „Ja, so könnte man es ausdrücken! Leider habe ich deinen Glauben nicht. So muss ich halt mit der Überzeugung klarkommen, dass einmal nichts mehr von mir übrig bleiben wird.“
    Nachdenklich machte ich mich auf den Heimweg. Ich erinnerte mich an meine jüngeren Jahre, wie mich der Schatten der Endlichkeit ebenfalls beunruhigt und mir meinen heimlichen Wunsch nach Unendlichkeit bewusst gemacht hatte.

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